Programm:
Hubert Rinner stellt die
Vortragende Dipl. Sozialpädagogin Marianne Gröschl vor, die als
Psychotherapeutin, Supervisorin und auch in der Hospizbewegung in Baden tätig
ist. Vor 26 Jahren erlebte die Familie einen schwerwiegenden Einschnitt und
verlor ihren Sohn durch einen Verkehrsunfall mit einem alkoholisierten Lenker.
Mit dem Buch Don’t Drink and Drive wollten ich ein komprimiertes und kurzes
Buch, das entsprechend verdichtet das Thema schildert (58 Seiten!!). Auf der
Rückreise vor 2 Jahren von Venedig hatte ich einen Herzinfarkt und lag in Villach
im Spital. Die Bettnachbarin erzählte mir, dass 2 junge Männer aus ihrem Dorf
bei einem Zeltfest getrunken haben und beschlossen haben, zu Fuss nach Hause zu
gehen, aber von einem betrunkenen Fahrer beim nach Hause-Gehen getötet wurden.
Das hat mich in meiner sprichwörtlichen Wut über den geschilderten Vorfall zu
dem Buch Dont Drink and Drive inspiriert und dazu auch meine eigene Geschichte
zu verschriftlichen.
25 Jahre nach dem Tod meines
Sohnes habe ich dann geschrieben: „Das Leben unseres Sohnes wurde von einem
Moment auf den anderen durch einen betrunkenen Lenker ausgelöscht, es war kein
leichter Prozess, mich nach Jahren wieder mit dem Tod meines Sohnes zu
beschäftigen. Ich wollte mit dem Buch eine Bewusstseinsveränderung in den
Menschen herbeiführen, mehr Verantwortungsgefühl für sich und andere schaffen.
Ich dachte, ich wollte damit auch der Sprachlosigkeit jener helfen, die ein
ebensolches Schicksal wie ich erlitten haben, denn es ist ja nicht vorgesehen,
dass Eltern ihre Kinder auf diesem Weg verlieren. Genuss in unserer
Gesellschaft, Wein, Drogen ist durchaus Tatsache, aber dabei darf das
Verantwortungsgefühl für sich und andere nicht verloren gehen. Mit dem Buch
wollte ich meine Geschichte nur als Rahmen sehen, damit auch andere ihre
persönlichen Erfahrungen darin wiederfinden und verarbeiten können. Das hat
sich durch viele Rückmeldungen bestätigt, auch über die Grenzen von Österreich
hinaus. Eine Engländerin, die sich das Buch übersetzen ließ, plädierte für
stärkere Strafen für alkoholisierte Lenker. Ich habe die Nähe zu meinem Sohn in
den vielen Jahren nie verloren und kann mich noch genau an diese letzten
Stunden vor seinem Tod mit ihm erinnern.
Ich beschreibe auch im Buch, wie
wir unseren Sohn finden, wie das Begräbnis war und was auch danach passiert
ist: „Die neue Lebensrealität ohne Dich.“ Die Geschichte um das AfterShave, das
sich in der mir nach dem Tod überbrachten Sporttasche gefunden hat, machte mir
klar, wie eng meine Verbundenheit auch heute noch nach 26 Jahren ist. Dem Buchhändler in Baden, bei dem ich meine
Bücher kaufe, habe ich das Buch gegeben und habe ihm vorgeschlagen, ob er das
Buch vermarkten möchte: Er berichtete mir noch am selben Tag als er das Buch
gelesen hat, dass es ihn tief berührt hat und es noch eine Welle schlagen wird.
Eine Welle ist eine Bewegung und das genau wollte ich herbeiführen. Ich habe
mich auch mit Jugendlichen unterhalten, wie kann ich nein sagen, wenn mich
jemand noch zum Trinken auffordert, wie kann ich überzeugen, dass niemand mehr
in ein Auto steigen soll, der trinkt.
Eigentlich könnte dieses kleine
Buch ein Geschenk für Führerscheinneulinge sein. Sie als Rotary kennen ja die
Werte: Verantwortungsvolles Handeln, Freundschaft, Vertrauen,
Hilfestellung….Für mich ist es daher besonders wichtig, heute da zu sein und
über das Buch zu sprechen. Eine Kollegin aus der Psychotherapie sandte mir eine
Nachricht, als sie gerade auf ihr Auto in der Firma Grünzweig wartete, dass sie
mein dort aufliegendes Buch gerade gelesen hatte und tief beeindruckt über die
Offenheit war, mit der ich mein eigenes Schicksal schildere und zum Nachdenken
anrege und Dinge so direkt ausspreche, die so besonders wichtig sind.
Ich erhielt im Zusammenhang mit
dem Buch vom Kuratorium für Verkehrssicherheit den Aquila 2023, den
Zivilcouragepreis, worüber ich mich sehr gefreut habe, weil auch dieser Preis
wieder viel in Bewegung gebracht hat. Diesen Preis, der für den Adler, der hoch
und weit fliegt, steht, möchte ich mit ihnen heute teilen.
Über Fragen von den Anwesenden:
Zur Bewältigung der Trauer: Da
ich selbst Psychotherapeutin bin, musste ich selbst meinen Prozess steuern.
Jeder trauert anders. Wir drei betroffenen Familien trauerten auch ganz
unterschiedlich, ich war dabei eher die Gebende und habe, vollkommen erschöpft
davon, aufgehört, auf die anderen betroffenen Familien zuzugehen.
Zum Lenker: Der Lenker wurde
verurteilt, für meine Begriffe zu gering bestraft (15 Monate bedingt?). Das
Thema wäre aber auch über das Rote Kreuz eventuell neuerlich an die Jugend in
den Schulen heranzutragen.
Zum Gerichtsprozess über den
Lenker: Ich war beim Prozess des Lenkers nicht anwesend. Ich war körperlich
vollkommen erschöpft, konkret Trauer, die einen niederschlägt.
Zur Promillegrenze: Sind 0,5
Promille nicht zu hoch, das gefühlte Fahren-Können liegt eher weit darunter.
Jeder allerdings verarbeitet Alkohol unterschiedlich. Die 0,5 Promille waren
1998 ein politischer Kompromiss, der infolge des Todes meines Sohnes immerhin
von einer Jugendinitiative angestoßen wurde.
Zum Lenker: Es war nicht in
meinem Interesse, zu wissen, wie es dem Täter geht. Es wäre über mein Maß
gewesen, mich um den Täter zu kümmern. Hätte er Kontakt aufgenommen, hätte er
ein Interview gegeben, dann hätte ich wohl den Mut gefasst, auf ihn zuzugehen.
Nach der Diskussion schließt der
Peter Prischl das Meeting.